„Change by Design“
Tim Brown
Es gibt mittlerweile eine unüberschaubare Anzahl von Titeln, die sich mit Design Thinking und seinen Anwendungsmöglichkeiten beschäftigen. Ich wurde auf das Thema 2012 aufmerkssam, als mir das Buch von Tim Brown in die Hände fiel.
Was mich besonders angesprochen hat ist, dass es sich bei diesem Buch nicht um eine „How to“-Anleitung handelt oder sich nur mit Workshop- und Präsentations-Methoden beschäftigen würde. Der Autor legt besonderen Wert darauf, in die Art und Weise des Denkens a la „Design Thinker“ einzuführen.
Denn Design Thinking ist nicht nur eine Technik für Designer und Kreative. Seine Grundprinzipien sind vielmehr ganz praktische Wege, um über Probleme nachzudenken und kreative neue Lösungen in einem systematischen Prozess zu entwickeln.
Design Thinking – Was ist das?
Und worum geht es dabei wirklich?
Die meisten Menschen haben Bilder im Kopf, in denen irgendwelche kreativen Hipster intensiv an grafischen Entwürfen, Skizzen und Prototypen arbeiten. Was sie auszuzeichnen scheint, ist ein besonderes Talent oder eine Gabe, innovative Ideen zu entwickeln und umzusetzen.
Tatsächlich ist Design Thinking aber ein Prozess, der sich auf viele Bereiche anwenden lässt, z.B. auch auf Geschäftsprozesse, soziale Fragen oder neue Dienstleistungen. Denn Design Thinking beruht letztendlich auf der menschlichen Fähigkeit, Muster zu erkennen, Ideen zu entwickeln, die sowohl eine emotionale wie eine funktionale Komponente haben und eine Art des Ausdrucks sind, der über Worte und Symbole hinausgeht.
Diese Konzentration von Tim Brown auf den großen Zusammenhang, in dem Design Thinking steht, hat mich besonders angesprochen. Die zugehörigen Methoden können von jedermann angewendet werden und führen gezielt zu wirksamen Lösungansätzen. Solange Menschen die Möglichkeit haben, zu experimentieren und gewisse Risiken in Kauf nehmen zu können, sind sie auch in der Lage, intelligente Problemlösungen zu entwickeln.
Deshalb legt Brown in seinem Buch besonderen Wert darauf, zu erläutern, wie man ein Umfeld schafft, in dem Design und Innovation heimisch werden können.
Wie man mit Design Thinking sogar eine Notfall-Aufnahme im Krankenhaus optimieren kann…
Besonderen Raum nimmt die Geschichte von Kristian Simsarian ein. An ihr zeigt Tim Brown, wie es möglich ist, auch als Laie durch Design Thinking zu innovativen Lösungsansätzen in einem Bereich zu kommen, mit dem wir normalerweise wenige Berührungspunkte haben: der Notfall-Aufnahme in einem Krankenhaus.
Der entscheidende Unterschied zur bisherigen Vorgehensweise bestand für diese Aufgabe darin, sich als Patient in die Notaufnahme zu begeben und den ablaufenden Prozess aus dieser Perspektive im Video zu dokumentieren. Durch diese Patientensicht wurde deutlich, an welchen Stellen die Abläufe den leidenden Patienten in eine passive Rolle drängten, ohne Rücksicht auf seine aktuellen tatsächlichen Bedürfnisse zu nehmen. Als Patient war man damit in einer „duldenden“ Rolle als Ressource im Prozess gefangen.
Dieser Perspektivwechsel beruht auf drei Schlüsselelementen:
- Erkenntnisse ziehen aus den realen Lebenserfahrungen der Betroffenen
- Genaue Beobachtung dessen was passiert, was Menschen tun und was sie nicht tun, z.B was sie sagen oder verschweigen.
- Einfühlungsvermögen in die Situation des Gegenübers und damit ein Perspektivwechsel vom Objekt (mit dem etwas gemacht wird) zum Subjekt des Geschehens (das ein bestimmtes Bedürfnis hat oder etwas braucht).
Mein Fazit
Das Buch von Tim Brown macht deutlich, dass es bei Design Thinking nicht um das Erlernen und Anwenden bestimmter Methoden geht, sondern vielmehr darum, einen gründlichen Perspektivwechsel zu vollziehen. In der Ausgestaltung von Prozessen steht damit nicht der reibungslose Ablauf im Mittelpunkt, sondern die bestmögliche Erfüllung der Bedürfnisse desjenigen, für den wir den Prozess entwickeln.
Dieses Grundverständnis führt erst dazu, die methodischen Werkzeuge des Design Thinking Ansatzes, wie z.B. die Customer Journey und andere Verfahren, sinnvoll einsetzen zu können.
Design Thinking ist damit der vorläufige Abschluss der evolutionären Entwicklung von der reinen Produkterfindung (Produkt = Features) über die Berücksichtigung der Beziehungen zwischen Produkt und Anwender (Anwenderfreundlichkeit), hin zur Einbindung der Beziehungen zwischen den Beteiligten eines Prozesses im Sinne der eleganten Lösung eines konkreten Problems.
Und dieser Perspektivwechsel erscheint mir dringend erforderlich zu sein.