„10 Types of innovation“

 Larry Keeley et.al.

Das Wesentliche in Kürze!

 

Für ihr Buch „10 Types of Innovation“ haben sich die Autoren mit mehr als 2.000 erfolgreichen Innovationen beschäftigt. Sie wendeten auf eine große Bandbreite von Beispielen, die von der Erfindung der Massenproduktion im Automobilbau mit dem Ford T über die ersten IBM Großrechner bis hin zum Unterhaltungskonzept des Cirque de Soleil reichte, eine Reihe von Algorithmen an, in der Hoffnung, dem Geheimnis erfolgreicher Innovationen auf die Spur zu kommen.

Gibt es Gemeinsamkeiten, die alle diese – und viele weitere – Innovationen gemeinsam haben? Was lässt die Chance auf eine erfolgreiche Innovation steigen, was schmälert sie? 

Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen führten zu 10 unterschiedlichen Arten von Innovation, die dabei helfen, bestimmte Erfolgsmuster für bestimmte Branchen zu identifizieren, neue Chancen für Innovationen zu entdecken und zu bewerten, wie gut sich innovative Unternehmen gegen ihre Wettbewerber durchsetzen können. Das so entstandene  Bewertungssystem hat sich in den Jahren seit seiner Entstehung im Jahre 1998 als eines der nützlichsten Analysewerkzeuge etabliert, um über Transformationsprozesse und Innovationen nachzudenken.

Der Haupt-Autor Larry Keeley wird von der Zeitschrift „Business Week“ als einer der sieben einflussreichsten „Innovations-Gurus“ bezeichnet.

Die 10 Arten der Innovation im Überblick

Bei Innovationen geht es um viel mehr als nur um die Erfindung eines neuen Produktes oder die Überarbeitung des Designs für ein bestehendes Angebot. Innovation ist ein Kulturthema. Um ein Klima der Innovation zu schaffen, ist mehr gefordert als nur die Einrichtung eines „Open Space“ oder die Beseitigung hierarchischer Barrieren. Wer Innovationen will, muss Freiheit und Selbstbestimmung fördern und fordern.

Und manchmal ist es schwer, eine echte Innovation von einer bloßen Verbesserung zu unterscheiden. (Wolf Lotter hat dazu ein sehr lesenswertes Buch geschrieben, dass ich in einem der nächsten Newsletter etwas detaillierter vorstellen werde.)

Innovationen im Sinne unseres heutigen Buchtips können alles Mögliche sein: die Neufassung eines Verdienst-Modells, die Optimierung eines Lieferkanals oder die Neugestaltung einer Kundenbindungs-Strategie. Die Analyse unterschiedlichster Erfolgsinnovationen brachte die Autoren auf 10 unterschiedliche Gruppen von Innovationen, die ich im Folgenden kurz im Überblick darstelle:

Typ 1: Innovation des Abrechnungsmodells: Insbesondere das Internet hat eine Vielzahl neuer Geschäftsmodelle erst möglich gemacht, die sich stärker als in der Vergangenheit an den Bedürfnissen und dem Nutzen der Kunden orientieren. Der Gedanke ist daher naheliegend, nicht nur auf anfassbare Dinge wie Produkteigenschaften abzustellen, sondern den Nutzen für die Kunden selbst zu bepreisen. Je genauer wir verstehen, welchen genauen Nutzen unsere Kunden von unserem Angebot haben, um so detaillierter können wir unsere Preisstruktur wählen.

Ein paar Beispiele: Anstatt selbst ein Auto zu besitzen, liegt für viele Kunden der Nutzen eines Autos in der individuellen Mobilität. Ein nutzungsabhängiges Entgelt wie eine Fahrzeug-Miete bildet diesen Nutzen besser ab, als die hohen Investitions- und Folgekosten für ein eigenes Auto. Auch das Schaffen von Verbindungen zwischen Menschen mit ähnlichen Interessen ist ein Abrechnungsmodell, das für einen Mitgliedsbeitrag, z.B. in einem exklusiven Club, Anbieter und Nachfrager exklusiv zusammenbringt.

 

Typ 2: Netzwerk-Innovation: Netzwerk-Innovationen ermöglichen es Unternehmen, von den Weiterentwicklungen der Prozesse, Technologien und Angebote anderer Netzwerkpartner zu profitieren. Netzwerk-Innovationen sind also solche, die das Unternehmen dazu befähigen, als attraktiver Partner im Verbund mit anderen Unternehmen im Netzwerk die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Die Innovationen im eigenen Unternehmen stärken damit das Netzwerk in seiner Gesamtheit.

Ein typische Beispiel sind Allianzen, die Unternehmen vereinbaren, um z.B. über ein größeres Einkaufsvolumen Kostenvorteile zu erreichen oder durch ein abgestimmtes Gesamtangebot auch größere Aufträge abwickeln zu können. Koordiniert werden sie entweder durch persönliche Vermittlung oder eine gemeinsame Plattform, die auch dem Austausch untereinander dient.  Diese Allianzen können sich auch etablieren, wenn eine gemeinsame Lieferkette das verbindende Element ist. Diese Integration der Supply Chain hat sich in vielen Industriebereichen bereits etabliert. Auch das Konzept der „Open Innovation“ beruht auf diesem Leitgedanken. So entwickeln die großen Player im Automobil-Sektor ihre Produktinnovationen zu e-Mobilität teilweise in gemeinsamen Joint Ventures.

 

Typ 3: Struktur-Innovation: Hier konzentriert man sich darauf, die bestehenden Unternehmens-Ressourcen, sei es Hardware, Personal oder andere Ressourcen, so zu organisieren, dass sie einen größeren Mehrwert für das Unternehmen leisten können.

Struktur-Innovationen können – wenn sie klug umgesetzt werden – dem Unternehmen einen hervorragenden Wettbewerbsvorteil verschaffen, weil sie in der Regel sehr schwer zu kopieren sind. Dafür erfordern sie häufig aber auch größere organisatorische Veränderungen innerhalb des Unternehmens und benötigen dafür sowohl die notwendigen Investitionsmittel wie den Support der Geschäftsleitung. Obwohl sie teilweise schwierig umzusetzen sind, können Struktur-Innovationen das gesamte Unternehmen effizienter machen, interne Reibungsverluste abbauen, die Mitarbeiterzufriedenheit erhöhen und das Unternehmen insgesamt resilienter und flexibler machen.

Ein typisches Beispiel für Strukturinnovationen ist die Einführung von Kompetenzzentren, in denen unternehmensübergreifend die Kompetenzträger bestimmter Bereiche zusammengefasst werden, um die Gesamtorganisationen durch ihr besonderes Know-how zu unterstützen. Auch die Einführung von Knowledge-Management-Verfahren kann dazu beitragen, durch Struktur-Innovationen das bestehende Wissen des Unternehmens besser aufzubereiten und damit zugänglicher zu machen.   

Typ 4: Prozessinnovation: Prozessinnovationen umfassen alle Aktivitäten und Verfahren, die direkten Einfluss auf die Hauptangebote und Produkte des Unternehmens haben. Sie versetzen ein Unternehmen in die Lage, seine Waren oder anderen Angebote schneller oder kosteneffizienter herzustellen als ihre Mitbewerber, sie ansprechender zu gestalten oder in ihrer Nutzung einfacher zu machen. Bei Prozessinnovationen handelt es sich meist um firmeneigene Verfahren, die auf der Grundlage der Erfahrungen des Unternehmens entstanden sind und deren besonderes Know-how repräsentieren.

So ist die Idee der flexiblen Industriefertigung insofern eine Prozessinnovation, weil durch die leicht anpassbaren und in sich geschlossenen Prozess-Schritte das Produktionsverfahren individuell angepasst, aufgeteilt und umgeleitet werden kann. Die Idee der virtuellen Fertigung, bei der nur noch Prozessinformationen an einen externen Maschinenpark geschickt werden, beruht auf den gleichen Grundlagen. Neue Technologien wie der 3D-Druck werden in den kommenden Jahren ihren Beitrag dazu leisten, auch geringe Losgrößen vor Ort oder an einem beliebigen Standort zu fertigen, der über eine ausreichend starke Datenleitung verfügt.

Typ 5: Performance-Innovation: Hier geht es darum, die Leistungsfähigkeit, den Wert oder die Ausstattung eines bestehenden Produktes oder Angebotes zu verbessern. Performance-Innovationen sind ein beliebtes Kind der Werbung und werden daher von den Kunden am häufigsten wahrgenommen. Sie sollen vor allem dafür sorgen, einen bestehenden Wettbewerbsvorteil zu halten oder auszubauen, bis der Wettbewerb diesen wieder eingeholt hat. Performance-Innovationen besitzen deshalb eine geringe Halbwertzeit, weil sie relativ leicht zu kopieren sind. 

Wer erinnert sich nicht an angebliche Performance-Innovationen, bei denen Waschmittel X „nicht nur sauber, sondern rein“ wäscht oder „30% mehr XY enthält, für Schrankfrische bis zu 30 Tagen“.

 

Typ 6: System-Innovation: Ein typische Vertreter von System-Innovationen ist seit vielen Jahren die Firma Vorwerk. Sie sorgt dafür, dass ihre Kunden davon überzeugt sind, mehrere verschiedene Komponenten zu benötigen, um das Kernprojekt „Staubsauger“ optimal nutzen zu können. Da gibt es also die Polsterbürste, den Spezialaufsatz für Schubladen, die Bürste für die Spinnweben usw. Im Zentrum der Bemühungen steht bei System-Innovationen der Gedanke, individuelle Produkte und Services so miteinander zu kombinieren, das sie ein stabiles und skalierbares System darstellen. System-Innovationen sind also ein guter Weg, um nebeneinander bestehende Angebote sinnvoll miteinander zu verknüpfen und dadurch für den Kunden einen echten (oder eingebildeten) Mehrwert zu schaffen. Das Stichwort heisst „Modularität“.

 

Typ 7: Service-Innovation: Service-Innovationen sorgen dafür, dass ein Produkt leichter ausprobiert, angewendet und genossen werden kann. Sie weisen den Anwender zum Beispiel auf bestimmte Produkteigenschaften oder Features hin, die der Kunde sonst leicht übersehen könnte. Service-Innovationen sorgen auch dafür, dass entstehende Probleme schnell behoben werden und eventuelle Störungen in der Kundenbeziehung vermieden werden können. Sie haben deswegen eine immer größere Bedeutung bekommen, weil sie dem Anbieter dabei helfen können, seine angebotenen Produkte durch entsprechende Services attraktiver zu machen und aus der Produkterfahrung ein ganzheitliches Erlebnis zu machen. Innovationen im Servicebereich tragen dazu bei, dass der Kunde sich besonders wertgeschätzt fühlt und seine positiven Gefühle zukünftig mit dem Produkt in Verbindung setzt.

Auf diese Karte setzen zum Beispiel alle Arten von „Concierge-Services“, wie sie von Fluggesellschaften, Kreditkarten-Unternehmen und Hotelanbietern angeboten werden. Das gleiche Prinzip liegt auch allen Arten von Loyalty-Programmen, wie z.B. Miles & More etc. zugrunde. Und es gilt auch für die Kaffee-Stempel beim Bäcker Ihres Vertrauens.   

Typ 8: Channel-Innovation: Als „Channel“ oder Kanal bezeichnet man den Weg, den ein Kunde nimmt, um unser Produkt oder unseren Service zu nutzen. Innovationen in diesem Bereich befassen sich damit, den Zugang zu den eigenen Produkten neu oder anders zu gestalten und Kunden über neue Wege zu erreichen. Das Ziel ist dabei, Streuverluste zu verringern, den Verkauf zu fördern und in der Wahrnehmung des Kunden die Angebote von Wettbewerbern auszuschalten oder in den Hintergrund treten zu lassen. Ein besonderes Einkaufserlebnis soll die positive Wahrnehmung der eigenen Marke stärken, den Einkaufsprozess für den Kunden so einfach und effizient wie möglich gestalten und dafür sorgen, dass er sich besonders wertgeschätzt fühlt.

Daher sind die Flagship-Stores in vielen Städten vor allem darauf ausgerichtet, ein besonders eindrückliches und positives Markenerlebnis zu schaffen, wenn Kunden dort einkaufen. Paradebeispiel für Channel-Innovation ist die Firma Nespresso. Durch die besondere Qualität des Kaffee-Geschmacks, die exklusiv entwickelten Kaffeemaschinen und Kapseln und die Beschränkung auf den Verkauf ausschließlich in eigenen Läden, konnte sich die Marke sehr exklusiv präsentieren und positionieren. Dem aufkommenden Wettbewerb, der die Produkt-Innovation „Aluminium-Kapsel“ nachahmte, begegnete man mit einer neuen Generation von Kaffeemaschinen, besonderen exklusiven Geschmacksrichtungen, umfangreichem Zubehör und dem Club-Gedanken, um Kunden erfolgreich an die Marke zu binden. Der direkte Zugang zu den Kunden und ihren Geschmacksgewohnheiten ist auch heute noch eine immer noch tragfähige Channel-Innovation zur Kundenbindung.

 

Typ 9: Marken-Innovation: Bei der Marken-Innovation geht es darum, eine neue oder bestehende Marke mit zusätzlicher Bedeutung, einer erweiterten Marken-Botschaft, einem neuen Werte-Verständnis (z.B. für Nachhaltigkeit oder faire Produktion) oder einem besonderen Wert (Handarbeit etc.) zu versehen. Wenn eine Marken-Innovation gelingt, kann sie die Lebensdauer eines Produktes oder Angebotes wesentlich verlängern und ein strategisches Alleinstellungsmerkmal entwickeln, das von Wettbewerbern nicht einfach kopiert werden kann. So kann der Produzent von Textilien durch die Einführung eines „Private Label“ nicht nur hochpreisigere Angebote machen, sondern die besondere Qualität von handgemachten Produkten wie Schuhen oder Hemden auch auf die normalen Angebote „abfärben“ lassen.

 

Typ 10: Innovation in der Kundenbeteiligung: Je besser ein Unternehmen die Lebenswelt, die tiefgreifenden Wünsche, Hoffnungen und Ansichten seiner Kunden kennt, umso besser kann es die Interaktion und Einbindung dieser Kunden für seine Zwecke planen und umsetzen. Das Ziel ist es, lang anhaltende, stabile und belastbare Kundenbeziehungen zu erschaffen, um eine hohe Kundenbindung zu erreichen. Die Mehrheit der innovaativen Kundenbeteiligung findet mittlerweile auf digitalem Wege statt. Neue Technologien und Systeme ermöglichen es zum Beispiel, Ideen der Kunden direkt in das Produktdesign zu übernehmen. So bietet die Firma adidas ihren Kunden die Möglichkeit, einen individuellen Sportschuh online zu designen, der über 3D-Druckverfahren individuell produziert wird.