Denkblockaden:  Konfrontation und die Angst vor dem Konflikt!

 

Es gibt Begriffe, die gerade bei jüngeren Führungskräften instinktiv Abwehr erzeugen, Themen, die fast als Tabu aufgefasst werden. In der Reihe „Denkblockaden“ spüren wir diese Begriffe auf und setzen sie in einen hilfreichen Zusammenhang.

Heute geht es darum, wie schwer es uns fällt, mit Konflikten umzugehen und warum eine Konfrontation auch positiv sein kann.

Eigentlich bin ich ein Mensch, der Harmonie mag. Ich schätze es, wenn sich die Menschen in meinem Umfeld mit mir verstehen und sich auch untereinander nicht spinnefeind sind. Wenn es in einem Gespräch oder in einer angeregten Diskussion manchmal emotional hoch her geht, stört es mich nicht, solange niemand zu persönlichen Angriffen wechselt. Denn dann ist für mich die Grenze zwischen angeregtem Meinungsaustausch und Streit überschritten.

Haben Sie auch ein schlechtes Gefühl im Bauch, wenn Sie an eine Situation denken, in der es zum Konflikt gekommen ist, weil Ihnen jemand etwas gesagt hat, das Sie lieber nicht gehört hätten? Fühlt sich das für Sie auch disharmonisch an? Und versuchen Sie auch, solche unangenehmen Situationen eher zu meiden?

Wer kennt nicht die genervte Reaktion von „Pubertieren“ auf die Bemerkung: „Du hast Dein Zimmer immer noch nicht aufgeräumt, obwohl Du es mir versprochen hast!!“ – „JAHAAAAA! Nerv mich nicht, ich mach das schon noch!!…“

Man fühlt sich ertappt, ist verunsichert und weiß: es gibt keine wirklich guten Ausreden. Man wurde mit den eigenen Fehlern konfrontiert.

Wenn Sie das auch als unangenehm empfinden: Viele Führungskräfte teilen dieses negative Gefühl mit Ihnen. Ich kenne keine Führungskraft, die es mag, das Team oder einen Mitarbeiter mit ihrem „Fehlverhalten konfrontieren müssen“.

Deshalb wird häufig versucht, die Konfrontation zu vermeiden, indem um das eigentliche Thema herumgeredet wird und das Gespräch so kurz wie möglich zu halten. Auch der Mitarbeiter weiß häufig schon, worum es eigentlich geht, und möchte dieser unangenehmen Situation ebenfalls möglichst schnell entkommen.

Im schlechtesten Fall redet die Führungskraft um den heißen Brei herum, bis der Mitarbeiter entweder das Gefühl hat, es sei eigentlich gar nichts passiert oder überhaupt nicht mehr weiß, worum es eigentlich ging. Ein Verständnis für die Kritik oder eine Korrektur eigenen Fehlverhaltens kann so natürlich nicht erfolgen.

 

Ist Konfrontation immer negativ?

Eine Konfrontation ist nicht automatisch negativ und sie ist keine Kampfansage, auch wenn viele Menschen das häufig verwechseln. Ein konfrontierendes Gespräch ist vielmehr ein wahres, klares und (hoffentlich) ehrliches Feedback, das sich auf ein konkretes Verhalten des Gegenübers bezieht. 

Wir können mit vielen Dingen „konfrontiert“ werden, zum Beispiel mit unseren Fehlern wie oben, mit unerwünschtem Familienbesuch, mit geänderten Terminen oder abgesagten Verabredungen. Wir können aber auch mit der „Wirklichkeit“ konfrontiert werden, mit neuen Chancen und bisher unentdeckten Potenzialen.

Eine Konfrontation kann also sowohl negativ wie positiv sein. Sie ist aber immer: überraschend und von einer gewissen Bedeutung. Eine Konfrontation löst also in uns immer etwas aus und betrifft eine Angelegenheit, die für uns wichtig ist.

Wäre das nicht so, würden wir vielleicht sagen: „Ich habe Onkel Friedhelm darauf aufmerksam gemacht, dass unangemeldete Besuche schwierig sind. Aber da er schon mal da war, haben wir einen Kaffee miteinander getrunken.“ Und eine einfache Ermahnung wäre eher so: „Herr Meissner wurde von mir darauf hingewiesen, zukünftig genauer auf die Lieferscheine zu schauen.“ als so: „Ich habe Herrn Meissner damit konfrontiert, dass wir schon zum fünften Mal wegen seiner laxen Kontrollen beschädigte Ware erhalten haben.“

Bei Konfrontationen geht es also immer um etwas, das eine gewisse Bedeutung hat, sei es positiv oder negativ. Und daher gehört jede Konfrontation unbedingt in ein Vier-Augen-Gespräch. Denn es geht darum, unserem Gegenüber dabei zu helfen, einen bestimmten Sachverhalt klarer zu sehen, um nachvollziehen zu können, was sein Handeln ausgelöst hat.

Wenn Herr Meissner aus unserem obigen Beispiel nicht weiß, dass die beschädigte Ware, die er durchgelassen hat, einen fünfstelligen Betrag gekostet hat, kann er sein Verhalten nicht korrigieren. Darum sollte es im Vier-Augen-Gespräch vorrangig gehen: Wir wollen unser Gegenüber in die Lage bringen, die Bedeutung des eigenen Handelns zu erkennen, die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen und dann aus einem neuen Verständnis heraus das eigene Verhalten anzupassen.

Aber je unangenehmer beiden Gesprächspartnern die Situation ist, desto schneller wollen sie ihr negatives Gefühl loswerden. Beide versuchen daher, das Gespräch so schnell wie möglich zu beenden, ohne lange Diskussion oder Erklärungen. Der Konfrontierende spricht das Thema an und erwartet eine schnelle Entschuldigung. Der Konfrontierte sucht nach Rechtfertigungen. Beide stehen unter Stress und fangen an, sich gegenseitig Vorwürfe zu machen. Und schon ist aus einer Konfrontation, die eigentlich nur Gutes erreichen wollte, ein Konflikt geworden, der nur schwer zu beheben ist.

Je eiliger wir also die Konfliktsituation hinter uns lassen wollen, umso schneller kann sie eskalieren und umso weniger kann sie positiv für beide Seiten genutzt werden!

Konflikte sind Geschenke!

Hand aufs Herz: Wann hat Ihnen das letzte Mal jemand ganz offen und ehrlich ins Gesicht gesagt, dass Sie Mist gebaut haben? Wie lange ist es her, dass es Sie mit echtem – und konfrontierenden – Feedback zu tun hatten? Ohne Floskeln, Zuckerguss und Konjunktive? Ist wahrscheinlich schon ein bisschen her, oder? 

Im Coaching lege ich großen Wert darauf, meinen Klienten nahezubringen, dass es wichtig ist, Dinge klar anzusprechen und Feedback zu geben, mit dem das Gegenüber etwas konkretes anfangen kann. Werden Missstände nicht mit aller Klarheit angesprochen, sondern wird aus Angst vor einem möglichen Konflikt die Konfrontation vermieden, ist es umso schwieriger, je länger man wartet. Und alles aus der großen Sorge heraus, das Gespräch könnte aus dem Ruder laufen und man wäre nicht mehr in der Lage, das Gespräch zu steuern.

Hier besteht ein Denkfehler: Nicht das konfrontierende Thema legt die Zündschnur an eine Eskalation und sorgt für einen Konflikt, sondern die Art und Weise wie wir darüber sprechen.

Denn es knallt meistens dann, wenn ich das Konfliktgespräch nicht aus einer Haltung der Unterstützung heraus führe und nicht in der Lage bin, die Gefühlslage meines Gegenübers zu respektieren. Aber konfrontative Gespräche müssen nicht zwangsläufig zu einem Konflikt ausarten. 

Richtig vorbereitet und durchgeführt ist ein Konfliktgespräch tatsächlich ein Geschenk, denn es gibt uns die seltene Gelegenheiten, unser eigenes Verhalten zu reflektieren und ggf. zu korrigieren. Wird es wertschätzend und mit Empathie geführt, muss keiner befürchten, im Gespräch „heruntergemacht“ und gedemütigt zu werden.

Im Gegenteil: Ein gut geführtes Konfliktgespräch ist getragen von gegenseitigem Respekt und Wertschätzung, stellt das konfrontierende Thema in den richtigen Kontext und hilft uns dabei, etwas zu lernen und unsere eigene Realitätswahrnehmung zu verbessern. Ohne dass man sich gegenseitig an die Gurgel geht.

Die gute Führungskraft macht Konflikte zur Lernchance!

In jeder Tätigkeit ist es unabdingbar, im Verhalten von Mitarbeitern, im Umgang untereinander oder in der Einhaltung von vorgegebenen Richtlinien und Regeln hin und wieder nachhaltige Korrekturen vornehmen zu müssen. Das Führungswerkzeug dafür ist das gut vorbereitete Konfliktgespräch.

Um eine unnötige Eskalation zu vermeiden, beachten Sie folgende Punkte:

  • Konfliktgespräche werden nicht zwischen Tür und Angel oder auf dem Flur geführt. Sie sind immer Einzeltermine.
  • Bereiten Sie das Konfliktgespräch vor. Verhindern Sie Störungen des Gesprächs von außen, sei es durch Telefonate, piepende E-Mails oder unerwartete Besucher.
  • Benennen Sie zu Beginn das Thema, um das es im Gespräch gehen soll. Machen Sie klar, um welche Konfliktsituation es sich handelt. Bleiben Sie auch im Gespräch genau bei dieser Situation. Vermeiden Sie Verallgemeinerungen und schweifen Sie nicht ab.
  • Beschreiben Sie, welches Handeln des Mitarbeiters aus Ihrer Wahrnehmung heraus zu diesem Konflikt geführt hat.
  • Akzeptieren Sie, wenn Ihr Gegenüber Ihre Meinung nicht teilt. Hören Sie aufmerksam zu, wenn er seine Wahrnehmung der Situation schildert.
  • Machen Sie klar, dass es nicht darum geht, Rechtfertigungen oder Erklärungen zu hören. Wie mein Vorbild, Prof. Warschawski, immer sagte: „Die Dinge sind wie sie sind. Was wollen Sie jetzt damit tun?“
  • Nehmen Sie eine Haltung ein, die davon ausgeht, dass Ihr Gegenüber ein eigenes Interesse daran hat, den Konflikt zukünftig zu vermeiden und von Ihnen eine konkrete Unterstützung braucht, wie er das hinbekommen kann.
  • Führen Sie keine Monologe, sondern lassen Sie Ihr Gegenüber zu Wort kommen. Hören Sie aktiv zu und bemühen Sie sich darum, pragmatische Vereinbarungen und Lösungsansätze zu entwickeln.

Als Führungskraft, die etwas gestalten will, müssen Sie die Behandlung von Konflikten beherrschen. Löst bei Ihnen die Vorstellung einer konkreten Konfliktsituation ein ungutes Gefühl aus, dann haben Sie hier noch ein Thema, um das Sie sich kümmern müssen.